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112 Newsletter vom 18. Februar 2021

Liebe Leserinnen und Leser,

auch heute möchte ich an den Anfang dieses Newsletters einige Ausführungen zu wesentlichen Kenngrößen des Pandemieverlaufes stellen. Heute, Donnerstag, 18.02.2021, 08:00 Uhr, verzeichnen wir in Bayern insgesamt 424.635 bestätigte COVID-19-Infektionen. Im Vergleich zum Donnerstag der letzten Woche, bis zu dem 416.986 Infektionen gezählt worden waren, sind dies 7.649 Fälle mehr. Für die zurückliegenden sieben Tage ergibt sich daraus ein rechnerischer Schnitt von ca. 1.093 Neuinfektionen. Für die vorangegangenen Wochen lagen die Vergleichswerte bei 1.263, 1.646, 1.909, 2.366, 3.265, 3.143, 3.203, 3.912, 4.172, 3.638, 3.475, 3.606, 3.432, 3.597, 2.918, 2.153, 1.243, 652, 372 bzw. 327. Diese Zahlenreihe belegt sehr schön, dass sich die nunmehr seit Wochen anhaltende günstige Entwicklung weiter fortsetzt, zeigt aber auch, dass die Sprünge nach unten kleiner werden und insoweit der Rückgang kein Selbstläufer ist. Ähnlich zeigt sich die Situation für ganz Deutschland. Das Bundeslagebild weist im Schnitt gut 7.220 Neuinfektionen pro Tag aus, nach etwa 8.290, 10.450, 12.900, 15.700, 21.000, 17.000 und 15.000 in den Vorwochen.

Lassen Sie uns nun auf Bayern im Ländervergleich schauen. Heute liegt der Freistaat mit einer 7-Tage-Inzidenz von 55,3 – Vorwochen 63,6 und 83,1 – auf Platz 11. Die höchste 7-Tage-Inzidenz verzeichnet weiterhin Thüringen mit einem leider wieder verschlechterten Wert von 119,5 (Vorwochen: 105,6, 148,4; 174,1; 225,0; 310,4). Hinter Thüringen reihen sich Sachsen-Anhalt (83,8 nach 84,2 und 122,9), Brandenburg mit 67,5 (nach 79,0 und 106,2) und Sachsen mit 66,2 (74,5 nach 100,1) ein. Den günstigsten Wert kann heute Baden-Württemberg mit 41,4 verbuchen und der Durchschnittswert aller Bundesländer liegt bei 57,1 (64,2).

Ein Kernelement der statistischen Betrachtungen dieser Pandemie ist die Positivrate, also die Zahl der laborpositiven Tests im Verhältnis zu deren Gesamtzahl. Die Positivrate lag in Bayern in den zurückliegenden Tagen bei Werten zwischen 3,2 und 4,4 Prozent (Vorwoche: 3,8 und 4,8 Prozent) bei weiterhin ca. 50.000 PCR-Tests pro Werktag sowie etwa 45.600 im 7-Tages-Mittel und hat sich insoweit neuerlich leicht verbessert.

Kommen wir zum bedrückendsten Gesichtspunkt der Pandemie, den Sterbefallzahlen. In Bayern sind an oder mit einer Corona-Infektion mittlerweile 11.984 Personen verstorben. Das sind im Vergleich zum vorigen Donnerstag 516 oder pro Tag 73,7 Fälle mehr, nach 82,6, 111,7, 117,9, 125,1, 134,4 bzw. 107,7 Sterbefällen pro Tag in den Wochen davor. Auch wenn natürlich jeder einzelne Sterbefall für sich genommen tragisch und für die Angehörigen sehr belastend ist, so erlaube ich mir, auch hier von einer positiven Entwicklung zu sprechen.

Ein sich ähnlich aufhellendes Bild sehen wir bei der Zahl der aktuell an COVID-19 erkrankten Personen. Das sind in Bayern heute 20.660 Personen (Donnerstage der Vorwochen 26.030, 33.040, 38.670, 46.780, 53.900, 59.220, 63.550, 67.710, 65.720, 60.300, 58.600, 56.840, 52.970, 45.780, 34.420, 23.100 bzw. 13.190) und damit im Vergleich zu letztem Donnerstag 5.370 weniger. Somit liegen die absoluten Zahlen dieser Woche in einer Größenordnung, die wir seit etlichen Monden nicht mehr gesehen haben. Diese günstige Entwicklung hat auch Einfluss auf die Reproduktionszahl R, die angibt, wie viele weitere Personen ein Infizierter statistisch ansteckt, ehe er selbst gesundet oder verstirbt. Diese liegt heute nach den Berechnungen des RKI bei R=0,8, ist also tendenziell günstig, weil die Zahl der inaktiv gewordenen die der Neu-Infektionen übersteigt. Und schließlich entspannt sich auch in den Kliniken die Lage merklich. Stand heute liegen von den 20.660 erkrankten Personen 2.648 in einer Klinik (an den Donnerstagen der Vorwochen 3.101, 3.556, 3.991, 4.231, 4.809, 5.363, 5.550, 5.276, 5.065, 4.663, 4.015, 3.730, 2.626, 2.243, 1.751, 1.072, 614, 328, 243, 213, 215 bzw. 166). Von diesen befinden sich 2.107 auf einer Normalstation und 541 (in den Vorwochen: 622, 710, 762, 872, 937, 969, 902, 860, 791, 726, 683, 530, 491, 367, 151 bzw. 100) auf „Intensiv“.

Lassen Sie uns nun noch kurz das Augenmerk auf die lokalen Entwicklungen richten. Im Kern haben wir es weiterhin mit einer großen Spreizung zwischen vielen zusehends besser aus der Pandemie herauskommenden Gebietskörperschaften und jenen zu tun, die sich in einer schwierigen Lage befinden. Glücklicherweise wird deren Anzahl langsam geringer und die absoluten Werte sind nicht mehr ganz so desaströs wie in der Vergangenheit. Leider ist zwar der Landkreis Tirschenreuth heute wieder über die 300er-Linie gesprungen und steht mit einer 7-Tage-Inzidenz von 317,9 zu Buche, so müssen wir dem Cluster „200 bis 300“ mit dem Landkreis Wunsiedel und der kreisfreien Stadt Hof nur mehr zwei Gebietskörperschaften zuordnen. Zwischen 100 und 200 reihen sich aktuell 7 (nach 16 bzw. 25) Gebietskörperschaften ein. Werte unter 100 stehen für 85 Landkreise und kreisfreie Städte zu Buche, von diesen liegen sogar 45 unter 50 und von diesen wiederum 22 unter dem vormaligen Vorwarn- und neuen Zielwert 35.

Zieht man unter diese Entwicklungen den Summenstrich, dann setzt sich das zweigeteilte Bild der letzten Wochen fort. Die Verlaufslinien nahezu aller maßgeblichen Parameter zeigen weiter nach unten, flachen sich aber in Richtung einer drohenden Seitwärtsbewegung ab. Die Verbesserung ist regional ungleich verteilt. Im Norden, Westen und Süden des Freistaates ist die Infektionsbelastung deutlich niedriger als im Osten und Nordosten. Und zu Lasten der im Vergleich zur deutlich weniger stark ansteckenden Urform drängt nun die britische Mutation B.1.1.7. rasant nach vorne. Nach einer Auswertung des RKI gingen in der Kalenderwoche 6 schon ca. 22 Prozent der erkannten Neuinfektionen auf das Konto von B.1.1.7., in der KW 4 waren das noch 5 Prozent. Das klingt nicht gut.

Liebe Leserinnen und Leser, auch an diesem Donnerstag blicken wir auf eine Corona-politisch bewegte Woche zurück. Dies betrifft sowohl die Situation an den Grenzen zu Tschechien und Tirol, die Debatte um erste Lockerungen bei der nächtlichen Ausgangssperre, als auch um die Wirksamkeit einzelner Impfstoffe. Hierbei kam es punktuell zu „emotionalen Aufladungen“, denen ich mit Fakten und sachlichen Einordnungen die Schärfe nehmen will. Ich darf zunächst auf die Grenzkontrollen eingehen. Hatte man die Berichterstattung zu den Reaktionen im betroffenen Ausland – hier vor allem in Tschechien und im österreichischen Bundesland Tirol – verfolgt, so konnte man zwischendurch den Eindruck gewinnen, bei dieser Maßnahme handele es sich um hinterfotzige, geradezu aus dem Nichts kommende Tritte des großen Nachbarn Deutschland gegen die Schienbeine der kleinen Nachbarn. Womöglich geschehe dies aus unlauteren Motiven, etwa als Retourkutsche für die hoch umstrittene und wiederkehrend von der Tiroler Landesregierung angeordnete LKW-Blockabfertigung, die auf „unserer“ Seite teilweise von Kiefersfelden bis zum Irschenberg zurückreichende LKW-Staus produziert, oder weil man einen Sündenbock für zu hohe 7-Tage-Inzidenzen in den ost- und nordostbayerischen Grenzregionen suche und dafür tausende Grenzgänger aus Tschechien gerade recht kämen.

Natürlich trifft nichts von alledem auch nur ansatzweise zu. Die Entscheidung, trotz der in allen wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Bereichen enorm engen grenznachbarlichen Beziehungen zeitlich befristet wieder strenge Grenzkontrollen anzuordnen, ist weder den Entscheidungsträgern in Berlin noch denen in München leicht gefallen, im Gegenteil: Gerade, weil wir im Verhältnis zu Tschechien nach tief finsteren Zeiten im letzten Jahrhundert um das historische Glück einer im Kern europäisch getragenen Normalisierung des bilateralen Verhältnisses wissen und dieses eine im besten Wortsinn alltägliche Normalität von gemeinsamem Handel und Wandel ohne trennende Grenze gefunden hat, überlegt man sich so einen Schritt zehnmal. Gleiches gilt für Tirol und Österreich. Hier verbindet über die kaum mehr wahrnehmbare Grenze hinweg nicht nur die – weitgehend – selbe Sprache, sondern eine geradezu geschwisterliche Nähe, die vom Bildungswesen bis zum Brauchtum reicht.

Tatsächlich ist dieser schwierigen Entscheidung eine umfassende faktenbasierte Beurteilung der Lage vorausgegangen, die in einen entsprechenden Entschluss gemündet ist und der nun umgesetzt wird, um es in der Terminologie der polizeilichen Entscheidungsfindung auszudrücken. Zu den wesentlichen Lagefeldern hat natürlich die jeweilige Infektionslage gehört. Diese unterscheidet sich jeweils deutlich von der aktuellen Lage in Bayern und Deutschland. Hierbei haben bis zu einem gewissen Grad die 7-Tage-Inzidenzen Bedeutung. Diese liegen für Tschechien immer noch bei etwa 400 und in einigen an Deutschland angrenzenden Bezirken sogar jenseits von 1.000, während wir uns mit teils schmerzlichen Beschränkungen mühsam unter 60 gekämpft haben. Dieser Zwischenerfolg, der noch nicht reicht, darf nicht gefährdet werden. Entscheidend war letztlich aber die Einstufung von Tschechien und Tirol als Risikomutationsgebiete durch das RKI. Denn in Tschechien dominiert die im Vergleich zu der bei uns immer noch vorherrschenden Urform mittlerweile die deutlich stärker infektiöse britische Variante B.1.1.7. Nach Experteneinschätzung sind mittlerweile mehr als 60 Prozent der erkannten Neuinfektionen durch B.1.1.7. verursacht.

In Tirol liegt die Sache anders, ist aber deshalb nicht weniger besorgniserregend. Dort sind so stark wie in keiner anderen Region, ja noch nicht einmal einem anderen Staat außerhalb Südafrikas, Ansteckungsfälle mit der sog. südafrikanischen Mutation B.1.351 nachgewiesen. Dieser wird im Vergleich zu B.1.1.7. eine nochmals deutlich stärkere Ansteckungsfähigkeit zugeschrieben und womöglich ist sogar der Krankheitsverlauf gravierender. Knapp 200 solcher Fälle waren bis zum vergangenen Donnerstag in Tirol nachgewiesen, weitere ca. 400 Verdachtsfälle bestanden an diesem Tag. Mittlerweile sind allein für Tirol ca. 400 Südafrika-Infektionen belegt. Das ist eine Entwicklung, die mir wirklich Sorge macht.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass für unsere Entscheidung das Lagefeld „innerstaatlicher Umgang mit der Situation in den Virusmutationsgebieten“ eine erhebliche Rolle gespielt hat. In beiden Nachbarstaaten gab es heftige innenpolitische Turbulenzen um das weitere Vorgehen gegen Corona. In Tschechien stritt und streitet man trotz absehbar wieder rasant ansteigender Infektionszahlen – allein am 17.02. gut 12.600 erkannte Neuinfektionen, zum Vergleich, im ca. 8-mal bevölkerungsreicheren Deutschland waren es ca. 7.500 – darum, den „Notstand“ aufzuheben und die Maßnahmen zu lockern. Das ist selbstverständlich die ausschließlich innere Angelegenheit der beiden Staaten, bleibt aber in den pandemischen Auswirkungen keineswegs auf das jeweilige Inland beschränkt. Wenn etwa eindringliche Warnungen der Bundesregierung in Wien und die beispiellose Verhängung einer Reisewarnung gegen ein eigenes Bundesland einflussreiche Tiroler Verbandsvertreter und Nationalratsabgeordnete von der Landesregierung unwidersprochen als „Rülpser aus Wien“ abtun, zudem ankündigen, Wien werde bei der kleinsten Beschränkung der Lockerungen „die Tiroler kennenlernen“ und obendrein die Infektionszahlen geradezu grotesk schönrechnen, dann weiß man, dass am Ort des Geschehens gerade keine wirksame Anti-Corona-Politik gemacht wird. Das kann in der eigenen Lagebeurteilung nicht unberücksichtigt bleiben, will man der absehbaren Gefahr nicht tatenlos zusehen.

Bis am Sonntag 00:00 Uhr die Grenzkontrollen im Vollzug beginnen konnten, bedurfte es auch über das Wochenende umfangreicher Vorbereitungen und intensiver Abstimmungen zwischen Berlin und München, aber auch Brüssel, Wien und Prag. Es war also keineswegs so, dass die Nachbarn völlig unvermittelt vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Ich selbst hatte u.a. mit meinem österreichischen Amtskollegen Telefonkontakt und habe am Sonntag mit Ministerpräsident Dr. Markus Söder die Grenzkontrolle in Schirnding besichtigt. Es ist beeindruckend, was in der Kürze der Zeit die Bundespolizei, die Bayerische Grenzpolizei sowie die Regierungen und Landratsämter auch mit Unterstützung der Hilfsorganisationen, von Feuerwehr und THW an Kontroll- und Testlogistik auf die Beine gestellt haben.

Mit der EU ist vereinbart, dass kein Grenzübergang baulich geschlossen wird. Die Bundespolizei ist an insgesamt 28 vorwiegend größeren Grenzübergängen präsent, die Bayerische Grenzpolizei ist mit ca. 500 Kräften an 15 mittleren und kleinen Kontrollstellen im Einsatz. Welche Personen derzeit als Grenzgänger aus den Virusmutationsgebieten einreisen dürfen, orientiert sich an der Mitteilung der EU-Kommission Leitlinien zur Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte während des COVID-Ausbruchs (zum Nachlesen: Amtsblatt der EU C 102 I/12 vom 30.3.2020). Erfasst sind etwa Berufskraftfahrer, Berufe im Gesundheitswesen, wissenschaftliche Experten im Gesundheitssektor, aber auch Arbeitskräfte in der Arzneimittel- und Medizinprodukteindustrie sowie in der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln.

Um eine Berechtigung rechtssicher festzustellen und zudem die Kontrollen zu erleichtern, haben mittlerweile mehr als 2.500 Betriebe entsprechende Bescheinigungen bei der am jeweiligen Firmensitz zuständigen Kreisverwaltungsbehörde beantragt – und erhalten. Diese haben bereits am Wochenende in Tag- und Nachtarbeit begonnen zu prüfen und zu verbescheiden. Gefordert sind hierbei längst nicht nur die grenznahen Landkreise und kreisfreien Städte. Wie tiefgehend die arbeitsmarktbezogenen Verflechtungen in der EU sind, zeigt sich auch daran, dass in allen sieben bayerischen Regierungsbezirken entsprechende Anträge gestellt wurden. Diese sind abgearbeitet, sodass wir in Bayern von der auf Bitten Sachsens vom Bund verlängerten Kulanzphase keinen Gebrauch machen mussten. Ich kann mich namens der Staatsregierung nur einmal mehr bei den Kreisverwaltungsbehörden und den Regierungen für diese grandiose Leistung bedanken, aus dem Stand heraus in kürzester Zeit und über das Wochenende ein praktikables und rechtssicheres Verfahren zu etablieren.

Wer eine systemische Bescheinigung hat, muss für einen Grenzübertritt weitere persönliche Voraussetzungen erfüllen. Dies sind – neben absoluter Symptomfreiheit – ein höchstens 48 Stunden alter negativer Corona-Test sowie eine Digitale Einreiseanmeldung (DEA). Diesbezüglich müssen wir leider nach wie vor eine gewisse Nachlässigkeit einreisewilliger Personen verzeichnen. Denn obwohl das Erfordernis der DEA nun schon seit Wochen geltendes Recht ist, stellen sich bei der Einreisekontrolle immer noch 10 bis 15 Prozent ohne DEA vor. Insgesamt aber haben sich die Verfahren schnell gut eingespielt. Das Rauschen im Blätterwald beschreibt vielfach erfundene Probleme. Weder sind nach Auskunft der Betroffenen, mit denen ich in ständigem Kontakt bin, die internationalen Lieferketten der Autoindustrie oder anderer Branchen gestört, noch sehen wir vor den Grenzübergängen unübersehbare Staus.

Nach fünf Tagen des Echtbetriebs kann ich feststellen, dass die Kontrollmaßnahmen pandemiebedingt weiterhin erforderlich, in ihrer Ausführung wirksam und dabei so gestaltet sind, dass für die Wirtschaft keine vermeidbaren Kollateralschäden und für die Grenzgänger keine unzumutbaren Kontrollsituationen entstehen. Und doch darf man sich keiner Illusionen hingeben. Wir werden einen weiteren Eintrag von B.1.1.7 und B.1.351 auch mit noch so strengen Grenzkontrollen nicht gänzlich unterbinden können. Aber ich bin hoffnungsfroh, dass diese Maßnahmen den Eintrag zumindest soweit eindämmen können, dass trotz der höheren Ansteckungsgefahr dennoch keine neue exponentielle Welle entsteht.

Die aktuell guten Zahlen im Inland haben aber auch erste Lockerungen möglich gemacht. So hat der Ministerrat letzte Woche neben begrenzten Öffnungen im Schulbetrieb auch die vormals landesweit geltende nächtliche Ausgangssperre mit Wirkung zum 15.02.2021 so abgeändert, dass sie nur noch in Landkreisen und kreisfreien Städten gilt, in denen innerhalb der letzten sieben Tage mindestens einmal der Tages-Inzidenzwert von 100 überschritten wurde. Maßgeblich sind die Zahlen des RKI. Tritt ein solcher Fall auf, ordnet die zuständige Kreisverwaltungsbehörde umgehend per Allgemeinverfügung eine Ausgangssperre für die Nachtzeit zwischen neuerdings 22:00 Uhr bis 05:00 Uhr an. Die Maßnahme kann durch das Landratsamt oder die Verwaltung der kreisfreien Stadt frühestens zurückgenommen werden, wenn sieben Tage hintereinander eine 7-Tage-Inzidenz von unter 100 ermittelt wurde. Insoweit besteht kein Aufhebungsautomatismus und es geht auch nicht nach eigenen Recherchen eines jeden Bürgers, sondern allein nach behördlicher Anordnung. Sollten Sie z.B. in Bezug auf Ihren Landkreis im Zweifel sein, dann checken Sie bitte das Amtsblatt des Kreises/der kreisfreien Stadt oder die Homepage des Landratsamtes/der Stadtverwaltung oder besuchen die Homepage des Innenministeriums. Auf dieser veröffentlichen wir tagesaktuell eine Liste der Gebietskörperschaften mit nächtlicher Ausgangssperre.

Beim Impfen kommen wir auch von Woche zu Woche voran. Stand heute haben die drei zugelassenen Hersteller bisher 1.035.300 Impfdosen geliefert. Mit diesen wurden gut 780.500 Erst- und Zweitimpfungen durchgeführt, 269.000 Personen haben bereits die zweite Impfung verabreicht bekommen. Allein gestern hat es insgesamt 26.000 Mal in einem bayerischen Oberarm gepiekst und es ist Impfstoff im Zuge einer Erst- oder Zweitimpfung geflossen.

In diesem Zusammenhang darf ich die Diskussion um den Impfstoff von AstraZeneca aufgreifen. Deren Verlauf ist ein Musterbeispiel für eine suboptimale Öffentlichkeitsarbeit und ein daraus erwachsendes Imageproblem. „Das Unternehmen hat sich selbst das Leben schwer gemacht“, hat etwa der bekannte Virologe der Uni Frankfurt/Main Dr. Martin Stürmer heute Früh im ARD-Morgenmagazin geurteilt. So etwa durch das Verhalten beim Streit um die Lieferverträge mit der EU, konkret durch ein ungeschicktes Studiendesign, Stichwort zu geringe Repräsentierung der entscheidenden Altersgruppe 65 plus, oder bei der Berechnung der Wirksamkeit des Impfstoffes. Hier hat AstraZenca relativ frühzeitig aus vier Studien Zwischenergebnisse publiziert und diese ob der Vorläufigkeit sehr defensiv interpretiert. So wurde eine „Schutzwirkung“ von 60 Prozent öffentlich, während Wettbewerber gleich mit der Zahl 90 ins Rennen gingen. Zwischenzeitlich kann man nach Ergebnissen weiterer Studien und bei einer optimierten Abfolge von Erst- und Zweitimpfung laut Dr. Stürmer von
80 Prozent Schutzwirkung ausgehen.

Und hier kommt das große Missverständnis zum Tragen, das auszuräumen dem Unternehmen bisher nicht gelungen ist. Denn was bedeutet eine Wirksamkeit von 60, 80 oder von 95 Prozent? In der breiten Wahrnehmung der Bevölkerung ist der Eindruck entstanden, dass bei einer Impfung von 1.000 Personen mit dem AstraZeneca-Wirkstoff 400 der geimpften Personen dennoch an COVID-19 erkranken – weil der Impfstoff nur 60 Prozent Wirksamkeit hat und damit nur 600 von 1.000 Geimpften zu schützen vermag. Im Unterschied dazu würden bei den „besseren“ Produkten nur 50 Geimpfte erkranken.

Tatsächlich gehen aber beide Auslegungen fehl, denn die genannten Prozentsätze beziehen sich nicht auf die Zahl der wirksam geimpften Personen, sondern setzen andere Parameter zueinander in Beziehung, die im Rahmen der Zulassungsstudien ermittelt werden. Um deren Bedeutung zu verstehen, muss man wissen, wie eine solche Studie angelegt ist. Nehmen wir an, es nehmen 20.000 Personen teil, dann wird der einen Hälfte der Wirkstoff verabreicht, der anderen Hälfte ein wirkungsloses Placebo. Nach vordefinierten Zeiten – es geht um Wochen und Monate – wird verglichen, wie viele Testpersonen, die in der Zwischenzeit ihr ganz normales Leben geführt haben, in der „Placebo-Gruppe“ und wie viele im Vergleich dazu in der „Wirkstoff-Gruppe“ an Corona erkrankt sind. Erkrankt bedeutet hierbei, dass ein typisches Erkrankungssymptom aufgetreten ist und das Vorliegen von COVID-19 durch einen positiven PCR Test bestätigt wurde. Im Falle von AstraZeneca hieß dies in der frühen Bewertung, dass in der Placebo-Gruppe 296 von 10.000 und in der „Impfstoff-Gruppe“ 122 von 10.000 Probanden erkrankt sind. Setzt man nun die 122 zu den 296 Erkrankten ins Verhältnis, dann kommt man auf besagte ca. 60 Prozent. Dieser Wert belegt aus Sicht der Virologen und Pharmazeuten eine gute Wirksamkeit des Präparates als solches, sagt aber gerade nicht das aus, was in der öffentlichen Wahrnehmung ankommt.

Zudem sagt der Prozentsatz nichts über die Wirksamkeit eines Impfstoffes in Bezug auf die Schwere eines Krankheitsverlaufes nach einer Impfung aus. Diesbezüglich ist unbestritten, wonach auch das AstraZeneca-Präparat in gleicher Weise wie die anderen zugelassenen Produkte dafür sorgt, dass in der Gruppe der Geimpften praktisch keine schweren oder sehr schweren Verläufe auftreten. Und das ist ja das Entscheidende der Impfung, dass der Geimpfte im ungünstigsten Fall vielleicht noch mit den Symptomen einer Erkältung zu tun hat, aber nicht im Krankenhaus auf der Intensivstation landet oder gar am Friedhof endet.

Weil das so ist, schätzen u.a. Dr. Stürmer, das Referenzlabor der Charité Berlin, der Präsident der Bundesärztekammer und viele andere Expertinnen und Experten das Produkt von AstraZeneca als vollwertigen Impfstoff ein. Natürlich ist das Impfen generell freiwillig und es kann deshalb jeder frei entscheiden, ob er eine Impfung mit AstraZeneca ausschlägt, um auf einen vermeintlich besseren Impfstoff zu warten. Wer so entscheidet, muss sich aber des persönlichen Risikos bewusst sein, dass er womöglich über mehrere Monate gar keinen Impfschutz hat, obwohl er einen sehr guten hätte haben können.

In der Ruhe liegt die Kraft!

Mit besten Grüßen
Ihr


Joachim Herrmann, MdL
Staatsminister