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112 Newsletter vom 08. Juli 2021

Liebe Leserinnen und Leser,

wie bei jedem Update des Corona-Newsletters darf ich auch in dieser Ausgabe die Datenlage an den Anfang stellen. Heute, Donnerstag, 8. Juli, 08:00 Uhr, verzeichnen wir für Bayern insgesamt 647.615 bestätigte Covid-19-Infektionen. Im Vergleich zum Donnerstag der letzten Woche, bis zu dem 646.983 Infektionen registriert wurden, sind dies 632 mehr. Daraus errechnet sich ein Tagesschnitt von 90 Neuinfektionen, nachdem dieser Wert in den Vorwochen bei 170, 256, 465, 612, 820, 1.536, 1.867, 2.465, 3.212, 3.558, 3.560, 2.492, 2.664, 2.305, 1.888, 1.496, 1.320, 1.104, 1.093, 1.263, 1.646, 1.909, 2.366, 3.265, 3.143, 3.203, 3.912, 4.172, 3.638, 3.475, 3.606, 3.432, 3.597, 2.918, 2.153, 1.243, 652 bzw. 372 lag. Die dritte Welle ist damit Geschichte. Allerdings zeigt der Trend erstmals seit drei Monaten nicht mehr stetig abwärts, sondern ist über Tage von einer geringen Zunahme der Neuinfektionen gekennzeichnet. Dies gilt gleichermaßen für die bayerischen wie die bundesweiten Zahlen und ich hoffe, dass es sich hierbei nicht um eine grundlegende Trendumkehr handelt.

Diese relative Stagnation zeigt sich auch in den für alle Länder ermittelten 7-Tage-Inzidenzen. Für Bayern hat das RKI heute eine solche von 6 festgestellt – nach 6, 8, 14, 22, 38, 41, 69, 107, 124, 161, 180, 178, 119, 142, 114, 96, 77, 68 und 58 an den vorangegangenen Vergleichstagen. Bundesweit verzeichnen wir heute einen Wert von 5 (5). Die Einzelwerte liegen aktuell zwischen „8“ für Hamburg und Hessen sowie „1“ für Sachsen-Anhalt und Mek-Pom.

Die Reproduktionszahl R gibt an, wie viele weitere Personen ein Infizierter statistisch ansteckt, ehe er gesundet oder verstirbt. Liegt der Wert bei 1, scheiden aus dem Infektionsgeschehen täglich genauso viele Menschen aus, wie neu dazukommen. Dieser Parameter, in dessen Berechnung verschiedenste statistische Größen Eingang finden, schwankte die letzten Tage zwischen 0,89 und 0,95 nach 0,67 und 0,69. Auch in diesen sich deutlich auf „1“ zubewegenden Werten spiegelt sich die zum Stillstand gekommene Abwärtsbewegung wider. Das ist kein Grund zur Panik, zumal wir, s.o., über niedrige absolute Zahlen sprechen.

Auch die Quote der auf die Gesamttestzahl bezogenen Fälle mit Corona-positivem Ergebnis, die sog. „Positivrate“, ist in eine Seitwärtsbewegung übergegangen, nachdem die Schwankungsbreite entsprechend der Vorwoche zwischen 0,5 und 0,8 Prozent lag. Die Nachfrage nach PCR-Tests hat sich bei einem 7-Tages-Mittel von ca. 30.000 weiter stabilisiert.

Ich darf nun auf das regionale Infektionsgeschehen überleiten. Wenngleich sich auch auf diesem Feld erste Vorzeichenwechsel andeuten, so haben wir doch aktuell eine ausgesprochen günstige Lage. So reihen sich 55 – Vorwoche 54 – Landkreise bzw. kreisfreie Städte unterhalb einer 7-Tage-Inzidenz von 5 ein und 9 – Vorwoche 15 – weisen eine blütenreine Weste mit 0,0 auf. Bundesweit gilt dies für 35 Stadt- und Landkreise, somit leider 13 weniger als vor einer Woche. In Bayern am stärksten betroffen sind derzeit die Städte Würzburg mit 14,9, Aschaffenburg mit 14,1 und Regensburg mit 13,7.

Sehr gut läuft es in den Kliniken. Hier lautet die wöchentliche Faustformel aus der Gesamtzahl der hospitalisierten Corona-Patienten und denen auf „Intensiv“ nicht mehr wie letzte Woche „460 zu 120“, sondern „400 zu 90“. Zum Glück bildet sich diese positive Entwicklung auch im Corona-bezogenen Sterbegeschehen ab. Dieses liegt bei einem sehr günstigen 7-Tages-Mittel von 3,5, auch wenn natürlich jeder Einzelfall sehr tragisch ist. Meine stille Hoffnung ist, dass es über das Impfen und eine weitere Beachtung der AHA-L-Regeln gelingt, die schlimmsten Folgen eines Krankheitsverlaufes auch gegen den Trend steigender Infektionen dauerhaft auf einem sehr niedrigen Niveau zu halten. Das würde uns bei den weiteren Überlegungen zum richtigen Umgang mit der Pandemie neue Spielräume eröffnen.

Auch diese Woche wird die Corona-Diskussion ganz maßgeblich von der Gefährlichkeit der Delta-Variante sowie der Impfbereitschaft der Menschen in Bayern und Deutschland bestimmt. Was „Delta“ angeht, so liefert die Wissenschaft Woche für Woche ein paar Mosaiksteinchen mehr, wodurch sich allmählich ein deutlich stärker konturiertes Lagebild abzeichnet. Diese Woche gibt es über die britischen Studien hinaus neue Informationen aus Israel, die auf den ersten Blick verunsichern, bei genauerer Betrachtung aber letztlich viel Bekanntes bestätigen. Dies gilt z.B. für die höhere Ansteckungsfähigkeit, die dazu geführt hat, dass „Delta“ nunmehr auch in Israel das Infektionsgeschehen dominiert und die anderen Mutationen verdrängt hat. Delta ist auch nach diesen Erkenntnissen etwa doppelt so infektiös als die Wildform und nochmals ca. 40 Prozent ansteckender als die Alpha-Variante.

Von Ansteckung betroffen sind hauptsächlich junge Menschen. Hierfür liegen auch nach den israelischen Einschätzungen im Kern zwei ursächliche Zusammenhänge nahe, die in ihrer Kombination dem Virus einen starken Hebeleffekt verschaffen. Zum einen scheint das wesentlich intensiver ausgeprägte Freizeit- und Gruppenverhalten und das damit einhergehende größere Ansteckungsrisiko der „Jungen“ relevant zu sein, zum anderen die im Vergleich der Altersgruppen weit unterdurchschnittliche Impfquote der 18 bis 35-Jährigen. Zwar infizieren sich in Israel mittlerweile auch deutlich mehr vollständig Geimpfte, als dies vormals mit der Alpha-Variante der Fall war, sodass man dort für das Serum von Biontech nicht mehr von einer Infektionsschutzwirkung von 95, sondern nur mehr von 64 Prozent spricht. Die gute Nachricht ist allerdings – und darum geht es ja hauptsächlich –, dass auch nach den israelischen Erkenntnissen voll Geimpfte zu fast 96 Prozent vor einer Corona-Erkrankung geschützt sind, zu rund 99 Prozent sogar vor einem hospitalisierungspflichtigen Verlauf.

Israel zeigt zudem, woran wir arbeiten müssen. So hat beim „Impfweltmeister“ die Impfbereitschaft sofort deutlich nachgelassen, als der Eindruck entstanden ist, die Pandemie sei besiegt und alle Maßnahmen – vom Maskentragen im öffentlichen Raum bis eben zum Impfen – seien verzichtbar. Diese Annahme ist aber falsch. Stattdessen zeigt das Beispiel Israels, dass die Pandemie ein Stehaufmännchen ist, wenn man sie lässt, und von welch zentraler Bedeutung in dieser Phase das Impfen für eine beherrschbare Lage ist. Unsere Impfquote reicht noch lange nicht. Deshalb müssen wir bei den Unentschlossenen für eine Impfung werben, werben und nochmals werben. Vor diesem Hintergrund begrüße ich ausdrücklich die neue Kommunikationskampagne des Gesundheitsministeriums, das unter dem Stichwort „Ich tu`s für …“ mit prominenten und nicht prominenten Gesichtern gezielt die Menschen zum Thema Impfen gegen Covid anspricht. In einer ersten Phase wird dies über digitale Medien laufen, sodann kommen Anzeigen in Zeitschriften, Plakataktionen und eine eigene Kampagnenhomepage dazu. Diese Aktion bewegt zudem hoffentlich jene, die sich gleichzeitig an verschiedensten Stellen um eine Impfung beworben haben, sich überall dort abzumelden, wo sie zunächst nicht zum Zug gekommen sind. Denn sonst gehen diese Stellen von falschen Voraussetzungen aus, planen unzutreffend und müssen Terminfenster ungenutzt verstreichen lassen. Derlei „No Shows“ sind schlicht unsozial und ungehörig, weil sie Impfwilligen eine Chance auf eine zeitnahe Impfung nehmen und die Helfer in den Impfzentren und Arztpraxen wie bestellt und nicht abgeholt dastehen lassen.

Mit am besten wirkt aber die Mund-zu-Mund-Propaganda und hier können Sie mithelfen. Bedrängen Sie niemanden, sich impfen zu lassen, aber geben Sie bereitwillig aufmunternde Auskunft, wenn Sie jemand nach Ihren Impferfahrungen und dem guten Gefühl fragt, sich und seine Nächsten geschützt zu wissen. Das scheint mir werbewirksamer, als neuerdings diskutierte „Impfprämien“, wie sie andernorts ausgereicht werden, etwa ein lebendes Suppenhuhn in Indonesien oder Essensgutscheine für die lokale Burgerbude in Teilen der USA.

Kurz noch ein statistischer Blick auf das Impfgeschehen. Heute haben wir bei der Gesamtzahl die 12,2 Millionen-Marke deutlich übersprungen. Das bedeutet gut 700.00 (Vorwoche 900.000) Impfungen binnen einer Woche. Das könnte gerne mehr sein!

Liebe Leserinnen und Leser, nach meinem Eindruck befinden wir uns Corona-technisch gerade in einer Art Zwischenphase. Diese wurde eingeläutet vom Auslaufen der dritten Corona-Welle, die nun definitiv vorbei ist, und wird irgendwann im Herbst enden, wenn klar ist, ob sich eine vierte Welle aufbauen oder es bei einem flachen Verlauf des Infektions-, Erkrankungs- und Sterbefallgeschehens bleiben wird. Dieses Zeitfenster bietet also Chancen und Risiken dafür, wie wir pandemisch in den Herbst und durch den Winter kommen. Die aktuell gute Lage bei Neuinfektionen und Hospitalisierungen macht es einerseits naturgemäß einfach, die Gedanken mutig(er) schweifen zu lassen, was wann wieder gehen soll oder gar muss. Bei manchen am besten alles sofort und gleich. Dieser Wunsch ist nachvollziehbar, denn letztlich hat jeder die Pandemie gründlich satt und sehnt zumindest ein Mindestmaß an Vor-Corona-Normalität herbei. Auf der anderen Seite gibt es aber auch diejenigen, die gerade unter dem Eindruck schlimmer Erfahrungen – von einer schweren eigenen Erkrankung bis hin zu Sterbefällen im familiären Umfeld – dem Frieden überhaupt nicht trauen und für den Herbst das Schlimmste befürchten.

Natürlich kenne auch ich nicht der Weisheit letzten Schluss, aber aus den bisherigen Erfahrungen mit den unterschiedlichen Phasen der Pandemie scheint es mir doch sinnvoll, keinem der genannten Extreme zuzuneigen, sondern nach Maß und Mitte zu suchen.

In diesem Ansatz fühle ich mich von Berechnungen bestärkt, die Bioinformatiker und Mathematiker verschiedener Universitäten anstellen. Diese sehen sich der Aufgabe gegenüber, die unterschiedlichen Faktoren wie etwa den Impffortschritt, die Wirkungen des Tragens von oder des Verzichtes auf FFP-2-Masken, die unterschiedlich starke Infektiosität diverser Mutationen und deren Verbreitung, die Auswirkungen einer innerstaatlichen oder internationalen Reisetätigkeit in der nun voll anlaufenden Ferienzeit, die Verfügbarkeit von Klinikkapazitäten u.v.a.m. mittels hoch komplexer mathematischer Modelle so miteinander zu verknüpfen, dass am Ende eine hinreichend belastbare Prognose über den weiteren Verlauf der Pandemie erkennbar wird. Alle Modelle sagen, dass bei realistischer Betrachtung die Pandemie noch nicht vorbei ist, oder anders gesagt, es ist noch nicht die Zeit der Sorglosigkeit. Genauso deutlich wird aber auch, dass kein Grund zur Panik besteht. Das jedenfalls vor allem dann nicht, wenn Superspreaderereignisse vermieden werden. Solche wären z.B. große Ansammlungen enthemmt auftretender Menschen etwa im Zusammenhang mit Sport-, Feier- oder Konzertveranstaltungen im In- und Ausland.

Deshalb halte ich es für richtig, dass wir in all diesen Punkten nach wie vor Grenzen setzen, die aber aktuell deutlich weiter gezogen werden können als noch vor Monaten. Deshalb werden wir schon nächste Woche mit Bedacht festlegen, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen diverse Profiligen nach der Sommerpause mit wie vielen Zuschauern den Spielbetrieb indoor und outdoor wieder aufnehmen können. Die 2. und die 3. Fußballbundesliga starten bereits am 23. Juli in die Spielzeit 2021/2022. Ich bin ganz dabei, angesichts der sich offenkundig durchsetzenden Delta-Variante zunächst etwas vorsichtig(er) zu beginnen, als das in anderen Bundesländern der Fall sein mag, zumal – bei entsprechend günstigen infektiologischen Gegebenheiten – eine Belegung mit 35 Prozent der zulässigen Höchstkapazität und eine absolute Deckelung bei 20.000 Zuschauern für die größten Stadien durchaus schon mal eine ordentliche Hausnummer sind und auch eine gute Stadionatmos-phäre schaffen. Wenn das alles gut klappt und die Lage beherrschbar bleibt, dann kann man zu gegebener Zeit auch nachjustieren. Aber was aus meiner Sicht gar nicht geht, das sind Wembley- bzw. UEFA-Verhältnisse. Bei einer 7-Tage-Inzidenz von ca. 275 und ca. 30.000 Neuinfektionen pro Tag wie im Vereinigten Königreich dann über 60.000 Zuschauer ins Stadion zu lassen und in den Städten riesige Public Viewings einzurichten ist einfach nur irre. Noch dazu, wo sich offenbar niemand um die Einhaltung der zugewiesenen Sitzplätze schert, sondern etwa vorgestern die Tifosi und gestern die Three-Lions-Fans völlig aus dem Häuschen sich in riesigen Blöcken zusammenballen.

Die Notwendigkeit, Grenzen zu setzen, betrifft auch die Grenzen. Hier müssen wir ein besonderes Augenmerk auf das internationale Reisegeschehen richten, waren es doch letztes Jahr vielfach gerade die Reiserückkehrer vom Balkan und aus Vorderasien, die zahlreich neue Infektionsketten in Gang gesetzt haben. Deshalb ist es m.E. absolut richtig, dass schon jetzt Reiserückkehrer nach einem abgestuften Konzept auf die Einhaltung von pandemiebezogenen Auflagen kontrolliert werden. Kommt ein Flugzeug aus einem Nicht-Schengen-Land, etwa der Türkei, in München, Nürnberg oder Memmingen an, erfolgt ohnehin bei allen Passagieren eine grenzpolizeiliche Kontrolle. Ist das Flugzeug in einem Schengen-Staat gestartet, findet zwar grundsätzlich keine Passnachschau statt. Allerdings erlegt die Einreiseverordnung allen Lufttransportunternehmen die Pflicht auf, Passagiere nur mit einem negativen Test an Bord zu lassen. Ob ein solcher tatsächlich vorgelegt wurde, kontrolliert die Polizei nach Ankunft in Bayern im Zuge einer Gesundheitskontrolle. Zudem wird gezielt nach Passagieren Ausschau gehalten, die ihre Reise in einem Nicht-Schengen-Staat angetreten haben und im Schengen-Raum lediglich umgestiegen sind. Hier wollen wir erst gar nicht den Eindruck entstehen lassen, dass man durch „geschicktes“ Umsteigeverhalten tricksen kann.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Kontrollnotwendigkeit an den Landgrenzen anders als am Flughafen gehandhabt werden muss, allein schon, weil das Personenaufkommen wesentlich größer ist. Ebenso wie bei den Flugpassagieren setzen wir auch bei den rückkehrenden „Land(s)leuten“ auf deren Vernunft, denn wer meint, sich um Test- und Anmeldeerfordernisse drücken zu müssen, beschwindelt zu aller erst sich selbst. Vertrauen ist zwar gut, aber Kontrolle dennoch nötig und deshalb findet an allen deutschen Landgrenzen eine lageangepasste intensivierte Schleierfahndung statt. Das bedeutet, dass Bundespolizei und Bayerische Grenzpolizei in gegenseitiger Abstimmung stichprobenartige Kontrollen durchführen. Diese finden längst nicht nur an den drei Autobahngrenzübergängen Kiefersfelden-Kufstein, Bad Reichenhall-Walserberg/Salzburg oder Passau-Suben statt, wo bereits seit Längerem stationäre Kontrollen zur Entdeckung international reisender Krimineller oder illegaler Migration angeordnet sind. Einbezogen ist das gesamte Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern, sodass Einreisende stets mit einer Kontrolle rechnen sollten.

Womöglich fragen Sie sich, wie diese doch recht strikte Linie mit der Entscheidung der Bundesregierung zusammenpasst, bisherige Virusvariantengebiete wie Großbritannien, Portugal und auch Russland zu Hochinzidenzgebieten abzustufen und damit den Reiseverkehr mit diesen Hotspot-Ländern – wenn auch unter bestimmten Quarantäne- und Testbedingungen – faktisch wieder zu ermöglichen. Dies hat vor allem rechtliche Gründe. So war die extrem einschneidende Maßnahme, nahezu jeden Reiseverkehr auch für die Staatsangehörigen der tangierten Staaten zu unterbinden, im Kern mit dem Ziel verbunden, das Einschleppen der Delta-Variante nach Deutschland zumindest deutlich hinauszuzögern, was ja auch ganz ordentlich gelungen ist. Nun aber, da „Delta“ nicht nur im Lande, sondern ca. 60 Prozent der erkannten Corona-Infektionen ausmacht, hat die ursprüngliche Begründung deutlich an Tragfähigkeit verloren und es wäre nur noch eine Frage der (kurzen) Zeit gewesen, wann ein Gericht angeordnet hätte, was der Verordnungsgeber nun von sich aus vollzogen hat. Es steht einer rechtsstaatlich agierenden Exekutive gut zu Gesicht, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit offenkundig nicht mehr entsprechende Maßnahmen selbst aufzuheben und nicht „durchzuziehen“, bis sie gerichtlich aufgehoben werden.

Manchmal höre ich in meinem geistigen Ohr den österreichischen Liedermacher Wolfgang Ambros „Zwickts mi, i glaab i draam“ singen – ganz tief in mir drin, der dann zu dem Resümee kommt „I kann's net glaubn, des gibt doch kaan Sinn“.

So ging`s mir wieder mal, als ich die Reaktion des Präsidenten eines deutschen Schwimmlehrerverbandes auf einen Ministerratsbeschluss von letzter Woche zur Kenntnis bekam, der pandemiebedingt ins Stocken geratenen Frühschwimmerausbildung einen finanziellen Vitalisierungsschub zu verleihen. Konkret bedeutet unsere „Aktion Seepferdchen“, dass zum ersten Schultag insbesondere Vorschulkinder und Erstklässler einen Gutschein über 50 Euro für einen Schwimmkurs erhalten, an dessen Ende die Prüfung zum Erwerb des „Seepferdchens“ steht. Während die großen bayerischen Sportverbände die Maßnahme sehr begrüßt haben, hält besagter Verbandsvertreter den Schwimm-Gutschein für nicht sinnvoll. Dieser sei kontraproduktiv, denn er setze ein falsches Signal. Kinder mit dem Seepferdchen-Abzeichen könnten noch lange nicht richtig schwimmen, außerdem setze die Maßnahme zu spät an. Deshalb solle ein Gutschein in gleicher Höhe für alle Kinder ab drei Jahren ausgegeben werden, damit diese in den Kitas mit der Wassergewöhnung beginnen könnten.

Man fragt sich, was einen Schwimmlehrer zu einer derart erstaunlichen und in sich auch nicht besonders logischen Einschätzung bewegt, und er diese dann auch noch via Medien landesweit verbreitet. Soll das heißen, die Vorschulkinder und Erstklässler einfach ihrem Schicksal zu überlassen, weil sie einer Wassergewöhnung durch die Kita bereits entwachsen sind? Pech gehabt, aber mit sechs Jahren schon zu alt? Und was soll mir die Feststellung sagen, wer das „Seepferdchen“ habe, der könne gar nicht richtig schwimmen? Kein Mensch, auch nicht der Bundesverband zur Förderung der Schwimmausbildung (BFS), der „Seepferdchen“ & Co. administriert, behauptet, dass sich der Absolvent der „Seepferdchen-Prüfung“ fortan pinguingleich in den Fluten tummeln könne. Aber wer die durch das „Seepferdchen“ attestierten Fähigkeiten als „kontraproduktiv“ und als „falsches Signal“ abtut und so womöglich manchen, von Corona und einem langen Ausfall des schulischen Sport- und auch Schwimmunterrichts ohnehin verunsicherten Eltern den Vorwand liefert, ihr Kind nicht zum „Seepferdchen“-Kurs anzumelden, der handelt gefährlich. Nach meiner festen Überzeugung ist mit dem „Seepferdchen“ viel mehr als die von besagtem Schwimmlehrerverband in den Mittelpunkt gerückte Wassergewöhnung gewonnen. Denn das Kind kennt nicht nur die Baderegeln, es kann nach einem Sprung – oder im richtigen Leben vielleicht auch einem Sturz – ins Wasser immerhin weitere 25 Meter – womöglich ans rettende Ufer – schwimmen sowie einen Gegenstand aus schultertiefem Wasser „herauftauchen“. Dies zugegebenermaßen unter optimalen Schwimmbadbedingungen sicher geübt und nachgewiesen zu haben, ist wahrlich mehr als nichts, es ist ein Gewinn für mehr Sicherheit im Bade- und Wassersportbetrieb und es kann Leben retten. Zudem ist es eine gute Hinführung, dran zu bleiben, sich schwimmerisch weiterzubilden, das Deutsche Schwimmabzeichen verschiedener Stufen mit deutlich höheren Leistungsanforderungen zu erwerben oder sich etwa von Wasserwacht bzw. DLRG zum Rettungsschwimmer ausbilden zu lassen, um dann in deren Reihen Dienst zu tun.

Betrachtet man die Liste der Mitgliedsverbände, die letztlich seit den 1970er-Jahren zusammen mit der Kultusministerkonferenz die Prüfungsbedingungen für die Schwimmabzeichen in Deutschland festlegen, dann findet man dort alle namhaften Organisationen wie den Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland (ASB), den Bundesverband Deutscher Schwimmmeister, die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), das Deutsche Rote Kreuz (DRK) inkl. der Wasserwacht, den Deutschen Schwimm-Verband (DSV), den Deutschen Turner-Bund (DTB) und den Verband Deutscher Sporttaucher – nur den besagten Schwimmlehrerverband nicht. Dieser wurde vor nicht einmal fünf Jahren von einem guten Dutzend Gründungsmitgliedern ins Leben gerufen. Nun ja.

Für mich bleibt es dabei: Der Beschluss, heuer Vorschulkindern und Erstklässlern das „Seepferdchen“ zu bezahlen, ist sport-, gefahrenabwehr- und gesellschaftspolitisch völlig richtig!

Mit besten Grüßen & wer das Seepferdchen nicht ehrt, ist der medialen Aufmerksamkeit nicht wert!

Ihr

Joachim Herrmann, MdL
Staatsminister